Mobil 360°

Wie, wann und wo sind Smartphones geeignet, den Nutzer geeignet anzusprechen? Mithilfe einer Kontextengine haben GIMI-Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft untersucht, wie orts- und situationsbasiertes Marketing sinnvoll eingesetzt werden kann.


Management Summary

In dieser „Technischen Machbarkeitsstudie zur Datensammlung über Mobilegeräte“ stand die Fragestellung im Vordergrund, wie man erkennen kann, wann ein geeigneter Zeitpunkt ist, Nutzer über Mobilgeräte anzusprechen. Dabei wurde innerhalb der technischen Machbarkeit auch die ethischen Grenzen der Datensammlung betrachtet. Es wurden zwei grundsätzliche Szenarien betrachtet: Outdoor oder unterwegs und Indoor oder zuhause. Dabei wurden im Outdoor-Bereich Geräte mit Android- und iOS-Betriebssystem benutzt, Indoor nur Android-Geräte. Ein wesentlicher Teil der Aufgabenstellung war die Verprobung mit ca. 50 Nutzern für Outdoor und 10 Nutzern für Indoor.

Zusätzlich zu den Geokoordinaten basierenden Ortstriggern wurden erstmals auch aktivitätsbasierte Trigger in Kombination und Wechselwirkung verwendet. Dazu lässt sich feststellen, dass die daraus kombinierte Situationserkennung grundsätzlich funktioniert und in Produktiv-Systeme überführt werden kann. Die Trigger waren allerdings teilweise zu spezifisch, so dass vereinzelt diese gar nicht oder nur sehr selten ausgelöst haben. Hier muss bei einer Überführung aufgepasst werden, dass man die Trigger nicht zu spezifisch definiert.

Es wurde des Weiteren festgestellt, dass die Testnutzer ein für Test-Apps überdurchschnittlich positives Feedback gegeben haben. Der explizit eingebaute Spam-Schutz, der vor „zu vielen“ ausgelösten Triggern geschützt hat, hätte durchaus noch etwas lockerer gestaltet werden können. Die Nutzer rechneten manchmal mit Nachrichten. Es könnten also durchaus mehr Nachrichten zugestellt werden, wenn sich die Benutzer aktiv mit einer derartigen App auseinandersetzen. Wichtig ist dabei jedoch unbedingt der Inhalt der Nachrichten, wie sich am Outdoor-Szenario ablesen lässt. Die Tester bewerten die REWE-Markt Trigger als technisch zutreffend und auch wünschenswert. Jedoch bewerten sie den Informationsgehalt unserer Test- als zu niedrig ein; dies ist folgerichtig und erwartungsgemäß, da die Nachrichten primär zur Prüfung der Richtigkeit der erkannten Situation dienten.

Für beide Szenarien lässt sich sagen, dass das Feintuning der Trigger ein iterativer Prozess sein sollte, da die verschiedenen Parameter der Trigger-Engine sehr sensible Stellknöpfe darstellen, deren genaues Verhalten sich letztlich nur durch intensives Ausprobieren oder durch Simulation (basierend auf Logo-Dateien) beurteilen lässt. Die Trigger haben gut funktioniert, mussten aber in beiden Szenarien nachgebessert werden.

Zum Thema Daten lassen sich mehrere Aussagen treffen. Zunächst einmal ist die Verfügbarkeit der passenden Daten, wie oben schon unter dem Stichwort der offenen Daten, natürlich wichtig. Die Besorgung der entsprechenden Daten kann unternehmensintern oft auch bewerkstelligt werden. Es scheint hier angebracht, die Datenqualität kontinuierlich vor Ort zu überprüfen – vielleicht in einem verteilten Ansatz mit einer Mitarbeiter-App für den Außendienst? Ein zweiter Aspekt der Datenqualität offenbarte sich im Indoor-Szenario. Hier wurden die Adressdaten mittels einer Geo-Kodierers in WGS84 Koordinaten umgewandelt, was nicht immer stimmige Ergebnisse liefert.

Wir haben in der Studie mutmaßliche Netzabdeckungsprobleme im öffentlichen Raum beobachten können. Bei unserem Versuchsaufbau, in dem die Lokalisierung der Geokoordinaten mittels Bitplaces realisiert wurde, konnten wir an den mit in den Test einbezogenen Hochschulen Probleme beim Auslöse der dort platzierten Trigger beobachten. Hybride online/offline Lösungen wie Bitplaces sind aber in Abwesenheit von GPS auf eine gute Netzabdeckung, insbesondere auch mit WLAN, angewiesen, um die Trigger-Daten mit dem Server abgleichen und auslösen zu können. Es ist zu vermuten, dass hier mangels Netzabdeckung kein Auslösen zustande kam.

Auf dem vorherigen Punkt aufbauend ist die Notwendigkeit, bei der Überführung unserer Erkenntnisse in ein produktiv-System auf eine passende Client-Server- und Online-Offline-Balancing-Strategie zu achten; damit kann sichergestellt werden, dass die immer wieder auftretenden, systemimmanenten Unterbrechungen in der Netzabdeckung nicht zu Unterbrechung in der User Experience führen.

Anschließend lässt sich zum Thema Datenschutz sagen, dass er für unsere Test-Nutzer wider Erwarten kein großes Problem beim Umgang mit unserer App darstellte. Wir führen dies darauf zurück, dass wir mit unserer Anfangsplanung richtig lagen und insgesamt ein ausgewogenes Angebot präsentieren, dessen potentieller Nutzen den Aufwand überstieg. Unsere Nutzer hatten möglicherweise keine Probleme damit, dass wir ihre Daten verwendet haben, eben weil sie einen entsprechenden Gegenwert bekommen haben, bzw. diesen für die Zukunft erkennen konnten. Und dass dies nicht nur auf die Teilnehmerprämie zurückzuführen ist, lässt sich daran erkennen, dass unsere Nutzer sogar Anregungen für weitere Verwendungszwecke lieferten (z.B. in Richtung Mobile Payment). Festzuhalten ist also, dass der erkannte Nutzwert einer solchen App gegenüber möglichen Vorbehalten und Bedenken zu Datenschutz und Privatsphäre zu überwiegen scheint.

Was die Nachrichten angeht, sollte deren inhaltlicher Mehrwert oberste Priorität haben, um die Akzeptanz der zukünftigen Nutzer sicherzustellen beziehungsweise Reaktanz zu vermeiden: Nachrichten müssen sich kontextbezogen, aktuell und abwechslungsreich anfühlen. Daraus leiten sich wieder drei Design-Ziele ab:

  • Kontextbezogen: Die App sollte zum „Learning by Doing“ fähig sein, also aus Kontext und Nutzerverhalten bestimmte Schlüsse ziehen und entsprechende Reaktionen zeigen.
  • Aktuell: Die Trigger sollten einen klaren Bezug „zum Jetzt“ haben und regelmäßig mit neuem Content versorgt werden.
  • Abwechslungsreich: Die App muss über ein entsprechendes Repertoire verfügen, damit häufige Wiederholungen der Nachrichten vermieden werden.

Im leichten Gegensatz zu Punkt 3 steht allerdings das beobachtete Lernverhalten der Nutzer: Es setzen offensichtlich sehr schnelle Gewöhnungseffekte ein, so dass die Versuchspersonen irritiert waren, wenn sie Handlungen wiederholten (z.B. am REWE vorbeilaufen), dies aber nicht zum bekannten Ergebnis führten (Nachricht, dass REWE in der Nähe). Handlungsweisen der App sollten also entweder reproduzierbar sein (die gleichen Trigger müssen immer die gleiche Nachricht auslösen), oder die Handlungsweise der App muss transparent gemacht werden, zum Beispiel durch Hilfestellungen/Kommentare/“Guide Tours“ im App-Bildschirm („wie folgender Trigger wurde gerade ausgelöst und führt zur Nachricht xy.“). So kann vermieden werden, dass die Technologie fehlerhaft wahrgenommen werden wird. Dieses Gefühl trat im Testzeitraum häufig ein, wenn die Testpersonen über Funktionsweisen im Unklaren waren. Die vorab getätigte Annahme, dass eine quantitative Beschränkung der Nachrichten zum „Schutz“ der Versuchspersonen sich positiv auswirken wird, bestätigte sich beispielsweise nicht. Vielmehr wurde die Erwartung der Teilnehmer dadurch häufig enttäuscht und das „Feature“ der Nachrichtenbeschränkung einhellig als „Bug“ bewertet.

Zum Verbesserungspotential der App lassen sich folgende Empfehlungen für zukünftige Entwicklungen ableiten.

  1. Hinweise auf besondere Angebote sollten integriert und regelmäßig aktualisiert werden.
  2. Standort-Informationen sollten allgemein ausgeweitet werden, und zwar weitläufig (Übertragbarkeit auf fremde Städte, Verkehrsanlage) ebenso wie hyperlokal (Orte, Lokale, Aktivitäten in der Nähe)
  3. Für eine höhere Genauigkeit und damit bessere Akzeptanz der Nutzer sollte eine Orientierung der App an den Nutzerinteressen erfolgen (Individualisierung).
  4. Die App sollte außerdem aus Bewertungen lernen und beispielsweise Nachrichten unterdrücken, wenn sie zuvor bereits negativ bewertet wurden.

Das Potenzial einer ortsbasierten Service-App wird langsam sehr positiv bewertet. Gerade die Idee des „Personal Assistent“, der bei Alltagsentscheidungen wie dem Einkauf oder Stromanbieter, bei der Suche nach Informationen zu einem bestimmten Ort oder der Planung einer Reise in eine fremde Stadt behilflich ist, scheint ein vielversprechender Ansatzpunkt für zukünftige Entwicklungen.

Besonders hervorheben wollen wir abschließend den Punkt, dass die Technische Machbarkeitsstudie für im Grunde doch sehr unterschiedliche Unternehmen (REWE und Yello sowie T-Systems) als Gemeinschaftsprojekt erstellt werden konnte, weil die Aufgabenstellung in ihrem Kern Aufschluss über die technischen Möglichkeiten der Datenerfassung mit mobilen Endgeräten geben sollten, d.h. es sind branchenübergreifende Lösungen machbar – auch zur Reduktion der Entwicklungskosten.

Die ist ein Ziel des German ICT & Media Institute (GIMI), in dem sich Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Institutionen engagieren. Kernpartner des Projektes sind derzeit die IHK Köln, T-Systems International GmbH, Stadt Köln, die deutsche medienakademie GmbH, das Fraunhofer – Institut für Angewandte Informationstechnik und die Fachhochschule Köln. Mit GIMI soll ein interdisziplinäres Innovations-Netzwerk geschaffen werden, um die Digitalisierungskompetenz der Region durch innovative Projekte zu stärken. GIMI wird dabei interdisziplinäre IT-, TK- und Medien-Lösungen für Wirtschaft und öffentliche Institutionen erdenken und erproben. Die große Zahl der Unternehmen aus dem ICT-Bereich und die vorhandenen Institutionen aus Lehre, angewandter Forschung und Entwicklung liefern beste Rahmenbedingungen.

Die Qualität der Ergebnisse konnte insgesamt nur durch die exzellente Zusammenarbeit der Finanzierungspartner (Auftraggeber) mit den Ressourcenpartnern erreicht werden. Dafür sei allen Beteiligten besonders herzlich gedankt.

Folgende Aspekte könnten in einem nächsten Schritt vertieft werden:

  • Reale Anwendungen der adaptierten App mit echten Kampagnen für definierte REWE-Märkte und Auswertungen der Akzeptanz.
  • Ausbau einer ortsbasierten Service-App zum „Personal Assistent“